Regionalbewegung stellt Wirksamkeit des „Regionalfensters“ in Frage
Pressemitteilung, Feuchtwangen, 30. Januar 2012:
Mogelpackungen haben eine sichere Zukunft -
Regionalbewegung stellt Wirksamkeit des „Regionalfensters“ in Frage
Im Rahmen der Internationalen Grünen Woche 2012 hat Bundesministerin Ilse Aigner ihr Vorhaben zur Einführung einer freiwilligen Kennzeichnung in Form eines „Regionalfensters“ vorgestellt, um missbräuchlicher Regionalwerbung einen Riegel vorzuschieben. Darin ist vorgesehen, dass sowohl die Rohstoffherkunft als auch der Verarbeitungsort deklariert werden müssen. Weiterhin soll die Kontrollinstitution benannt werden, was wiederum alles auf dem Etikett ersichtlich sein soll.
Der Bundesverband der Regionalbewegung (BRB) begrüßt einerseits, dass die Politik auf die Forderungen der Regionalbewegung reagiert und glaubwürdige Regionalvermarktung unterstützen möchte. Jedoch ist der eingeschlagene Weg mit einer Öffnung der Regionalkennzeichnung für „Jedermann“ äußerst zweifelhaft. Es würde bedeuten, dass global arbeitende Unternehmen ihren Filialbetrieben (z.B. Puten-, Hähnchen- oder Schweinemästern) mit einem „Regionalfenster“ das regionale Mäntelchen umhängen können. „Wir sehen vor allem in den kleinen und mittleren Betrieben wichtige Stabilitätsfaktoren eines freien Marktes im ländlichen Raum“, sagt Bundesvorsitzender Heiner Sindel.
Der BRB bewertet das Konzept des „Regionalfensters“ wie folgt:
Da das vorgesehene Zertifizierungssystem ein drei-stufiges Kontrollsystem - möglicherweise mit analytischen Kontrollen - vorsieht, ist zu erwarten, dass hier erneut kleine und mittelständische Unternehmen zur Kasse gebeten werden und einen weiteren bürokratischen Aufwand zu bewältigen haben.
Weiterhin wird die bewusste Vermeidung der Einbeziehung der Vorstufen der Landwirtschaft in das „Regionalfenster“, z.B. Futtermittel aus der Region, dem hohen Anspruch der glaubwürdig arbeitenden Regionalvermarktungsinitiativen nicht gerecht. Gerade diese zeigen in ihrer praxisorientierten Arbeit und mit ihrer langjährigen Erfahrung, dass damit Regionalentwicklungsprozesse eingeleitet werden können, die wiederum eine hohe Wertschöpfung in den Regionen generieren sowie eine nachhaltige Entwicklung im Sinne zur Erhaltung der Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Pflanzen nach sich ziehen.
Regionalität geht weit über die regionale Herkunft der Rohstoffe hinaus. Dies zeigt die vom BMELV in Auftrag gegebene Emnid-Umfrage, laut der 70 Prozent der Verbraucher Wert darauf legen, dass bei Fleischprodukten auch die Futtermittel aus der Region stammen.
Zwar wurden bei der Bearbeitung der Studie zur Regionalkennzeichnung, die die Basis zum Konzept des „Regionalfensters“ bildet, viele Akteure wie Verbraucherzentralen, Handel, Länder, Ökoverbände und der BRB teilweise angehört, jedoch wurden wichtige Marktteilnehmer wie das lebensmittelverarbeitende Handwerk, z.B. Metzger und Bäcker sowie Akteure aus Natur- und Umweltschutzverbänden, z.B. Landschaftspflegeverbände, die langjährige Erfahrungen im Bereich glaubwürdiger Regionalvermarktung haben, nicht berücksichtigt.
Die Regionalbewegung sieht erheblichen Klärungsbedarf für eine glaubwürdige Definition von Regionalität. Das Vorhaben zur Einführung eines „Regionalfensters“ erfüllt diese Anforderung nicht.
Forderung der Regionalbewegung
Der Bundesverband der Regionalbewegung empfiehlt ein Regionalsiegel für Regionalvermarktungsinitiativen (Privatwirtschaftliches Zertifizierungssystem). Das heißt, die Vergabe des Siegels erfolgt an die Initiativen vor Ort und ist als eine Art „Regionalitäts-TÜV“ zu verstehen. Die Initiativen können anschließend wiederum ihre Produkte damit kennzeichnen.
Zusätzlich kann aufbauend darauf die Etablierung von fakultativen Qualitätsangaben für „regionales Produkt“ auf EU-Ebene dazu dienen, missbräuchliche Verwendung dieser Begrifflichkeiten von Seiten der Unternehmen und des Handels ahnden zu können, d.h. die Werbeversprechen können somit überprüfbar und bestrafbar gemacht werden.
Der BRB fordert daher erneut die Politik dazu auf, das Vorhaben zur Einführung eines „Regionalfensters“ zu überdenken und gemeinsam mit Regionalvermarkungsinitiativen, Direktvermarktern und dem Lebensmittelhandwerk Lösungen zum Erhalt der Glaubwürdigkeit regionaler Produktvermarktung zu erarbeiten und umzusetzen. Die Regionalbewegung hat hier in ihrem Positionspapier „Glaubwürdige Regionalvermarktung“ vom 25. November 2011 ein erstes Konzept zur Initiativenkennzeichnung erarbeitet und wird dies im Rahmen des 6. Bundestreffens der Regionalbewegung vom 15. bis 16. Juni 2012 in Jülich am Niederrhein weiter konkretisieren.
Der Bundesverband der Regionalbewegung e.V.
Der BRB versteht sich als Interessenvertretung für die vielfältigen Akteure im ländlichen Raum sowie als Informationsplattform für Verbraucher und Medien zum Thema Regionalität. Unter dem Dach des Bundesverbandes der Regionalbewegung schließen sich einzelne Initiativen zusammen, um gemeinsam Verantwortung für die Erhaltung der Lebensgrundlagen zu übernehmen, sich gegenseitig zu unterstützen und kreativ Umsetzungsmöglichkeiten für die jeweilige Region zu finden.
Das Positionspapier zur „Glaubwürdigen Regionalvermarktung“ steht im Internet unter www.regionalbewegung.de zum Download bereit.
Pressekontakt:
Nicole Weik
Bundesverband der Regionalbewegung e.V.
Museumstraße 1, 91555 Feuchtwangen
Tel. 09852-1381, E-Mail