SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen wollen mit der Koalitionsvereinbarung 2019 ein neues Kapitel für Brandenburg aufschlagen
Zusammenhalt, Nachhaltigkeit, Sicherheit stehen als Politikziele über der Koalitionsvereinbarung von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen für die neue Legislaturperiode. In der Präambel wird festgestellt: „Es ist an der Zeit, die Ziele von Freiheit und Sicherheit, von sozialem Fortschritt und gesellschaftlicher Stabilität, von Heimatverbundenheit und Weltoffenheit, von Vielfalt und Zusammenhalt, von ökonomischer Vernunft und ökologischer Nachhaltigkeit auf konstruktive Weise zusammenzubringen …. Wir wissen: Sicherheit, Wohlstand, Zusammenhalt und Umwelt lassen sich heute nur mit der beständigen Bereitschaft zu Wandel und Erneuerung bewahren.“
Brandenburg hat sich bereits 2014 mit der Landesnachhaltigkeitsstrategie anspruchsvolle Ziele für eine zukunftsfähige Entwicklung gestellt. Wie wird in der Koalitionsvereinbarung der Anspruch an Nachhaltigkeit als Politikziel aufgegriffen? Dazu finden sich Ziele wie:
- Zukünftig werden wir in Brandenburg nachhaltiger wirtschaften, Energie gewinnen und Landwirtschaft betreiben.
- Mit mehr ökologischer Landwirtschaft sowie mehr Tier- und Artenschutz sorgen wir für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
- Mit einer verbindlichen Klimastrategie, dem Verzicht auf neue Tagebaue sowie einer konsequenten Energiewende machen wir den Klimaschutz zu einem Schwerpunkt unserer Politik.
Zur Landesentwicklung will die Koalition die Empfehlungen der Enquete-Kommission „Zukunft der ländlichen Regionen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels“ der vergangenen Legislaturperiode aufgreifen: „Sie vereinbart die Erarbeitung und Umsetzung einer von Entwicklungskorridoren ausgehenden ressortübergreifenden, den Gesamtraum abdeckenden Regionalentwicklungsstrategie“. Diese wird erfolgreich sein, „wenn sie auch regional aktiv getragen wird. Deshalb soll sie von Beginn an zusammen mit den regionalen Verantwortungsträgerinnen und -trägern erarbeitet und umgesetzt werden.“
Die Kommunen sollen in ihrer nachhaltigen Entwicklung unterstützt werden: „Das Instrument der Integrierten Stadtentwicklungskonzepte wollen wir gemeinsam mit den Kommunen und der Wohnungswirtschaft vor Ort stärken und legen dabei einen Schwerpunkt auf soziale Infrastruktur, moderne Mobilität und die Umsetzung der CO2-Einsparziele …. Alle Maßnahmen in der Wohnraumförderung müssen darauf abzielen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und die soziale Durchmischung von Quartieren zu befördern.“
Die Koalition hat sich auch vorgenommen, die Mobilitätsstrategie zeitnah zu überarbeiten, in der das Ziel verankert wird, den Anteil des Umweltverbunds bis 2030 auf 60 Prozent zu erhöhen und entsprechende Maßnahmen zu definieren. Die Landesregierung will selbst auch Vorbild sein: „Den Fuhrpark der Landesverwaltung werden wir schrittweise auf alternative bzw. CO2-arme Antriebe umstellen. Für die Dienstwagen der Regierungsmitglieder streben wir eine deutliche Reduzierung der Emissionswerte an.“
Die Koalition will eine angemessene und stärker am Bedarf orientierte Finanzausstattung der Landkreise, Verbandsgemeinden, Ämter, Städte und Gemeinden sichern. „Zudem werden die Bereiche Infrastruktur (Verkehr und Digitalisierung) und Bildung in den kommenden Jahren umfängliche Investitionen erforderlich machen. Hierfür wird das Kommunale Investitionsprogramm (KIP) fortgeführt. Neben den bisherigen Schwerpunkten Bildung, Brand- und Katastrophenschutz sowie Sport soll das KIP um weitere Fördergegenstände, insbesondere zum Klimaschutz, ergänzt werden. Mit der Erweiterung der Fördermöglichkeiten geht eine Erhöhung der finanziellen Mittel einher. Die Eigenverantwortung soll durch ein Recht auf Ortsteilbudget gestärkt werden.
Ein Hauptabschnitt der Vereinbarung steht unter Überschrift Nachhaltigkeit: „Wir bekennen uns zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und zu den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung, wie sie in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankert sind: Dem Leitprinzip der nachhaltigen Entwicklung zu folgen bedeutet, darauf hinzuarbeiten, gleichermaßen den Bedürfnissen der heutigen sowie künftiger Generationen gerecht zu werden – in Brandenburg, in Deutschland, in Europa sowie in allen Teilen der Welt – und ihnen ein Leben in voller Entfaltung ihrer Würde zu ermöglichen. Dafür bedarf es einer wirtschaftlich leistungsfähigen, sozial ausgewogenen und ökologisch verträglichen Entwicklung, wobei die planetaren Grenzen unserer Erde zusammen mit der Orientierung an einem Leben in Würde für alle die absolute äußere Beschränkung vorgeben.“
Auf das Land Brandenburg bezogen: „Wir werden die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes überarbeiten und an der Agenda 2030 der Vereinten Nationen ausrichten. Die Koalition wird den bestehenden Nachhaltigkeitsindex zu einer regionalisierten Form des Nationalen Wohlstandsindex (NWI) weiterentwickeln. Wir werden den Nachhaltigkeitsbeirat wieder einrichten. Dieser setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern von Wissenschaft, Jugend, Zivilgesellschaft, Verbänden, Wirtschaft und kommunaler Ebene zusammen. Es wird eine Koordinierungsstelle bei der Staatskanzlei eingerichtet. Es muss eine auskömmliche Personalausstattung gewährleistet sein. Die Koalition wird dem Nachhaltigkeitsbeirat Befassungs- und Anhörungsrechte sowie Vorschlagsrechte einräumen. Er berichtet zum Stand der Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele.“
Damit wurden Forderungen aufgegriffen, wie sie von Brandenburg 21 und weiteren Brandenburger NRO im September 2019 in einem Appell an den Landtag und die Landesregierung formuliert wurden[1].
Im Handlungsfeld Klimaschutz und Klimaanpassung nimmt sich die Koalition vor: „Wir werden zügig einen Klimaplan aufstellen, der die Weiterentwicklung der bestehenden Strategien des Landes für die Bereiche Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr zu einer verbindlichen Klimastrategie zusammenfasst, sowie ein entsprechendes Maßnahmenpaket auflegen. Sofern sich hieraus gesetzlicher Regelungsbedarf ergibt, werden wir entsprechende Verfahren in die Wege leiten.“
Und: „Wir wollen, dass Brandenburg spätestens im Jahr 2050 klimaneutral wirtschaftet und lebt.“
Die Koalition will auch Anpassungsstrategien für die effiziente Abmilderung der Folgen des Klimawandels entwickeln und umsetzen. „Dabei sollen Maßnahmen für die Landwirtschaft, den Landschaftswasserhaushalt, Waldumbau und die Moorrevitalisierung im Fokus stehen.“
Für die Folgenabschätzung von Gesetzesinitiativen soll auf der Grundlage objektiver Kriterien ein Klima- und Nachhaltigkeitscheck erarbeitet werden.
Für die Lausitz wird die Entwicklung zu einer europäischen Modellregion anvisiert, die Maßstäbe für eine erfolgreiche Transformation im klimapolitisch begründeten Strukturwandel darstellt. „Für einen … gelingenden Strukturwandel braucht es auch die Mitwirkung und die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung und zivilgesellschaftlicher Gruppen. Die Koalition strebt an, dass ein angemessener Betrag aus dem vom Bund zur Verfügung gestellten Fördervolumen Projekten regionaler Vereine, Verbände und Kirchen zugutekommt.“
Die Koalition bekennt sich zu den Leitlinien der Finanzpolitik Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit und soziale Verantwortung: „Deshalb wollen wir in Infrastruktur, Bildung/Wissenschaft und Klimaschutz investieren und die erforderlichen Mittel für Maßnahmen zu Zusammenhalt, Nachhaltigkeit und Sicherheit bereitstellen.“
Weit über die zitierten Beispiele hinaus geht die Koalitionsvereinbarung detailliert auf die im Land zu lösenden Aufgaben ein und greift positiv Handlungserfordernisse und Diskussionen aus der vergangenen Legislaturperiode auf.
Allerdings sind wichtige Aufgaben nur als Prüfauftrag formuliert. Auch steht eine Reihe von Vorhaben der Koalitionsvereinbarung unter Finanzierungsvorbehalt.
Zudem: Nachhaltigkeitspolitik als Querschnittsaufgabe einer Landesregierung steht und fällt mit der Bereitschaft aller Ressorts, dies als Gemeinschaftsaufgabe anzugehen und konsequent umzusetzen.
Und: Klima-, Umwelt- und soziale Gerechtigkeit erfordern politisches Handeln und einen praktizierten Politikstil, mit dem politische Entscheidungen zur Zukunft unseres Landes gemeinsam und parteienübergreifend vorbereitet, darüber informiert und mit der Bevölkerung diskutiert werden – so ein weiteres Versprechen des Koalitionsvertrages.
Wir werden in der nächsten Zeit den Koalitionsvertrag noch ausführlicher kommentieren und auch weiterhin die Umsetzung von Nachhaltiger Entwicklung für Brandenburg kritisch und fordernd begleiten.
Gerold Fierment und Peter Ligner, Brandenburg 21 e.V.