Vorhandene Pfade verlassen - Praxisbefragung des Rates für Nachhaltige Entwicklung liefert wichtige Erkenntnisse zum Stellenwert der Daseinsvorsorge für die sozial-ökologische Transformation
Ob öffentlicher Nahverkehr, kommunales Krankenhaus oder wohnortnahe Pflege: Die Corona-Pandemie hat offengelegt, wie sehr wir als Gesellschaft auf funktionierende öffentliche Institutionen und soziale Infrastruktur angewiesen sind. Doch können von der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie man diese staatlichen Dienstleistungen meist zusammenfassend nennt, auch wichtige Impulse für eine konsequente Umsetzung der sozial-ökologischen Transformation ausgehen?
Ausgehend von den Erfahrungen der Corona-Krise hat der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) im Sommer 2021 eine Befragung von zehn ausgewählten Praktikerinnen und Praktikern durchgeführt. Im Mittelpunkt stand das gesellschaftliche Veränderungs- und Innovationspotenzial der Daseinsvorsorge in den Bereichen Kommunen, Gesundheit, Pflege und sozialer Zusammenhalt.
Einig sind sich die Befragten darin, dass in der Krise die Herausforderungen der klassischen Daseinsvorsorge wie durch ein Brennglas sichtbar geworden sind. „Insgesamt haben sich der Trend zur Privatisierung und der tendenzielle Rückzug der Daseinsvorsorge aus der Fläche als Problem gezeigt. […] Der Staat hat sich aus seiner Funktion als Versorgungsstaat zum Gewährleistungsstaat gewandelt“, fasst es Manfred Miosga, Professor für Stadt- und Regionalentwicklung an der Universität Bayreuth zusammen. Kommunen und Bürgerschaft hätten jedoch eine überwältigende Bereitschaft zur Improvisation, ein hohes Maß an Flexibilität und Engagement gezeigt, um die Pandemie zu bewältigen, meint etwa der Osnabrücker Oberbürgermeister Wolfgang Griesert.
Als wichtige Stellschraube für die öffentliche Daseinsvorsorge identifiziert Ralf Rosenbrock vom Paritätischen Gesamtverband die Notwendigkeit, dezentrale Leistungen trotz Anstrengungen für mehr Klimaschutz finanzierbar zu halten. Die sozial-ökologische Transformation müsse sozialverträglich gestalten werden.
Ob öffentlicher Nahverkehr, kommunales Krankenhaus oder wohnortnahe Pflege: Die Corona-Pandemie hat offengelegt, wie sehr wir als Gesellschaft auf funktionierende öffentliche Institutionen und soziale Infrastruktur angewiesen sind. Doch können von der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie man diese staatlichen Dienstleistungen meist zusammenfassend nennt, auch wichtige Impulse für eine konsequente Umsetzung der sozial-ökologischen Transformation ausgehen?
Ausgehend von den Erfahrungen der Corona-Krise hat der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) im Sommer 2021 eine Befragung von zehn ausgewählten Praktikerinnen und Praktikern durchgeführt. Im Mittelpunkt stand das gesellschaftliche Veränderungs- und Innovationspotenzial der Daseinsvorsorge in den Bereichen Kommunen, Gesundheit, Pflege und sozialer Zusammenhalt.
Einig sind sich die Befragten darin, dass in der Krise die Herausforderungen der klassischen Daseinsvorsorge wie durch ein Brennglas sichtbar geworden sind. „Insgesamt haben sich der Trend zur Privatisierung und der tendenzielle Rückzug der Daseinsvorsorge aus der Fläche als Problem gezeigt. […] Der Staat hat sich aus seiner Funktion als Versorgungsstaat zum Gewährleistungsstaat gewandelt“, fasst es Manfred Miosga, Professor für Stadt- und Regionalentwicklung an der Universität Bayreuth zusammen. Kommunen und Bürgerschaft hätten jedoch eine überwältigende Bereitschaft zur Improvisation, ein hohes Maß an Flexibilität und Engagement gezeigt, um die Pandemie zu bewältigen, meint etwa der Osnabrücker Oberbürgermeister Wolfgang Griesert.
Als wichtige Stellschraube für die öffentliche Daseinsvorsorge identifiziert Ralf Rosenbrock vom Paritätischen Gesamtverband die Notwendigkeit, dezentrale Leistungen trotz Anstrengungen für mehr Klimaschutz finanzierbar zu halten. Die sozial-ökologische Transformation müsse sozialverträglich gestalten werden.
Konsens besteht bei den Befragten darin, dass Daseinsvorsorge dem Subsidiaritätsprinzip folgen müsse – also der Idee, Entscheidungen auf der sachnächsten Ebene zu belassen. Selbstorganisation und gemeinnützige Anbieter müssten Vorrang vor staatlichen und gewerblichen Anbietern haben. Profitmaximierung und Renditeziele im Gesundheitssektor müssten von Bedarfsorientierung abgelöst werden. Eine aktive Infrastrukturpolitik mit dem Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse zu ermöglichen, sei dabei essenziell, betont Rosenbrock.
Die befragten Praktikerinnen und Praktiker sind sich einig: Der öffentliche Dienst muss als Rückgrat der sozial-ökologischen Transformation fungieren. Manfred Miosga erklärt dazu: „Zunächst muss der Staat seine Gestaltungsaufgabe wieder stärker wahrnehmen und die Investitionen in die Daseinsvorsorge als Investitionen in ein notwendiges gesellschaftliches Fundament begreifen“. Wenn sich Menschen darauf verlassen könnten, dass für ihre Gesundheit, ihre alltägliche Versorgung, ihre Mobilität, Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentfaltung und ihre materielle Grundabsicherung gesorgt sei, dann seien sie eher bereit, notwendige Veränderungsprozesse auch in hoher Geschwindigkeit mitzugehen, so Miosga weiter.
Allerdings stellt der Fachkräftemangel die Handlungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes auf eine harte Probe: Beispielsweise stehe der öffentliche Gesundheitsdienst unter einer hohen Dauerbelastung. Bei akuten Krisen müsse auch Personal aus anderen Ämtern mobilisiert werden. Es bestehe dann aber die Gefahr, dass andere wichtige Bereiche wie Prävention, Trinkwasser- und Krankenhaushygiene oder medizinische Hilfsangebote für vulnerable Gruppen zu kurz kämen, ergänzt Ute Teichert. Deswegen müsse der Öffentliche Dienst insgesamt wieder attraktiver werden. Anfangen müsse man bei einer angemessenen Bezahlung von Fachkräften. Damit die Beschäftigten in Ämtern und Ministerien auch neuen gesellschaftlichen Herausforderungen und Aufgaben begegnen könnten, bräuchte es außerdem ganz neue Weiterbildungskonzepte. Denn es fehle sowohl an systemischem Wissen zu potenziellen Krisen als auch an einer strategischen Vorausschau, um schon heute Risiken von Morgen präventiv zu begegnen.
All das kostet Geld, insbesondere vor Ort in den Kommunen. Deswegen braucht es jetzt Antworten darauf, wie Kommunen langfristig und strukturell besser finanziert werden können.
Aber nicht nur das „Was“ und „Wer“, sondern auch das „Wie“ ist für die Expertinnen und Experten entscheidend: Zum einen müssten sich Verwaltungen als agile Organisationen mit einer digitalen Kultur der Zusammenarbeit neu erfinden, so Thomas Kubendorff. Das „Silodenken“ sollte durch projektorientierte, horizontale, ebenen- und ressortübergreifende Zusammenarbeit abgelöst werden – wie auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung in einer Stellungnahme zur besseren Governance für die Nachhaltige Entwicklung ganz ähnlich festgestellt hat. Zum anderen gehe es aber auch um die Bereitschaft, neue Partnerschaften mit gesellschaftlichen Akteuren einzugehen und im Sinne von „lokalen Gesellschaftsverträgen“ Innovationskooperationen mit Bürgerschaft und Wissenschaft zu suchen, so Miosga.
Wo Deutschland jedoch noch einen weiten Weg vor sich habe, sei im Bereich Bürokratieabbau, wie z.B. bei Bauvorschriften. Beschaffungsrichtlinien sowie Antrags- und Berichtsmodalitäten bei Förderprogrammen müssten radikal vereinfacht werden, so der ehemalige Landrat Kubendorff.
Der Ansatz „Tell the Truth“ ist für Manfred Miosga eine Innovation zur Stärkung der Daseinsvorsorge, die man heute schon ohne große Schwierigkeiten angehen könne. „Ein enges Restbudget an Treibhausgasemissionen, die dringliche Notwendigkeit, wesentliche Beiträge zur Regeneration der Biosphäre zu leisten und nicht nur in Pandemiekrisen für einen ausreichenden gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen sind gigantische Herausforderungen, die ehrlich nach außen kommuniziert werden müssen. Wegducken geht nicht mehr!“, appelliert Miosga an die politischen Verantwortlichen, insbesondere in den Kommunen. Es gelte, vorhandene Pfade zu verlassen und sich aus den gewohnten Komfortzonen herauszubewegen.